Medienpraxis.ch

Spielraum als Denkraum für die Blogforschung

Die Diskussion zum Verhältnis von Weblogszene und Weblogforschung ist in den letzten Wochen entbrannt. Wenn es ein weiteres Fazit bräuchte:

Es spricht für den Entwicklungsstand der Blogforschung, dass sie nicht bloss Teil der Weblogszene geworden ist, sondern diese zu reflektieren imstande ist. Dazu braucht sie die Möglichkeit zur Distanzierung. Dies schafft sie unter anderem über Verfahren und Sprachstile, die in der sozialen Praxis anzeigen, dass es sich um etwas anderes handelt: um Wissenschaft eben. An diesem Punkt etwas anderes von Forschung zu erwarten, hiesse, Wissenschaft in ihren Grundlagen in Frage zu stellen. Die aktuelle Debatte hat deutlich gemacht, dass die Blogforschung keine Gefälligkeitsforschung ist. Was man in der Politikforschung als selbstverständlich erwartet, eine Distanzierung von den Akteuren, muss man auch von der Blogforschung (auch wenn sie anders ansetzt) erwarten können. Dabei können einem wissenschaftliche Argumentationsweisen, soziologischer Jargon oder Quellenzwang nun sympathisch sein oder nicht. Wissenschaft kann/soll nichts anderes.

7 Kommentare

  1. Wissenschaftliche Blogs bilden eine eigene Sphäre innerhalb der Blogshäre. Dagegen spricht auch nichts. Ich glaube, es ging bei der Aufregung der letzten Wochen eher darum, dass Wissenschaftler nicht mehr als Wissenschaftler, sondern als Blogger Situationsdeutungen lieferten bzw. die beiden Rollen wild mischten. Dies wurde als Zumutung erlebt. Die beiden Rollen waren einfach nicht klar voneinander abgegrenzt bzw. nicht klar gegeneinander reflektiert. Alles andere kann doch vernünftigerweise gar nicht zur Diskussion stehen. Klar solle es wissenschaftliche Arbeiten im Blogformat geben. Klar ist die Niederschwelligkeit ein grosser Vorteil, gerade für die Forschung etc.

  2. Klas, danke für die Erläuterung. Ja, man sollte in Blogs auch wissenschaftliche Texte, und sicher auch im Jargon veröffentlichen dürfen – man sollte sich aber bewusst sein, dass man dann möglicherweise sein Publikum auf eine bestimmte Gruppe einschränkt. Aber das ist ja nichts neues: Blogs finden ihre Leser, je nach Thema und Sprache mal mehr, mal weniger. Zu sagen: „Man kann/darf nicht wissenschaftlich über Blogs reden“ wäre ähnlich engstirnig wie zu sagen: „Man kann/darf in Weblogs nicht über Politik oder über Katzen oder Tokio Hotel diskutieren“.
    Ich würde mich freuen, wenn es mehr Wissenschaftsblog und auch „Blogforschungs-Blogs“ gibt, weil Blogs meiner Meinung nach eine fantastische Möglichkeit bieten, „niederschwellig“ (also jenseits klassischer wissenschaftlicher Texte, Paper und Vorträge) über wissenschaftliche Themen zu schreiben und zu diskutieren.
    Womit ich noch hadere (und was in dem von Dir angesprochenen Beitrag auch anklingt) ist, dass ich die Ergebnisse von Blogforschung ja nicht nur für ein wissenschaftliches Publikum, sondern auch gerne den Bloggern selber darstellen will. Und da schränkt soziologischer Jargon das potenzielle Publikum eher ein, denke ich. Mal sehen, wie ich die Ergebnisse der Bloggerumfrage präsentiere.. ;-)

  3. @Jan Schmidt

    Ich beziehe mich auf eine Stelle, wo du in der Diskussion erläuterst, du würdest heute in einem Text bestimmte Seiten weglassen. Offensichtlich hat sich an einigen Seiten eines Textes mit soziologischer „Schlagseite“ eine Diskussion entzündet. (hier die Stelle, in deinem Kommentar: http://www.bamberg-gewinnt.de/wordpress/archives/285#more-285

    Es gibt meines Erachtens keine Blogszene, sondern verschiedene Szenen, die kleine CM-Systeme nutzen. Diese nennt man Weblogs. Das ist alles. Man spricht ja wohl auch nicht von einer Tabellenkalkulationsszene, nur weil Versicherungsgesellschaften, Schüler oder Hausfrauen die gleichen Applikationen brauchen. Und es muss ja wohl auch wissenschaftlichen Szenen möglich sein, Texte zu publizieren, die nicht jeder und jede sympathisch, lesenswert, sinnvoll usw. findet.

    Ich dachte immer, Blogs dienten der Diskursvielfalt. Nun stelle ich fest, überall wird diskutiert, was zulässig sei und was nicht. Darf man das? Darf man wissenschaftliche Texte der Blogszene zumuten? Darf man soziologischen Jargon verwenden? Darf man publizieren ohne einem Ethikkodex zu entsprechen?

  4. Klas, guter Punkt bzw. gute Frage. Könntest Du kurz ausführen, inwiefern zuviele Zugeständnisse an die Blogger gemacht wurden? Mir ist nicht ganz klar, worauf Du Dich dabei beziehst, aber es interessiert mich…:)

    Ich glaube, dass eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Weblogs zwar nicht zwingend voraussetzt, dass man selber bloggt (also Teil des Feldes bzw. Untersuchungsgegenstands wird), dass es aber für manche Zwecke hilfreich sein kann. Dies gilt insbesondere, wenn man an sinnhaften Praktiken interessiert ist, im Gegensatz z.B. zu formalen Strukturen der entstehenden Netzwerke, die man durchaus als externer Beobachter analysieren kann, sogar ohne jemals ein Weblog gelesen zu haben. Das eigene Bloggen macht mir die Kommunikationskultur, die Dynamik und die möglichen Konsequenzen von Weblogs (z.B. in der Frage Privatheit vs. Öffentlichkeit) auf eine Weise deutlich, die ich als uninvolvierter Betrachter sehr viel schwerer erreichen würde. Zudem habe ich das Gefühl (kann mich aber auch irren), dass ich dadurch Transparenz und ein gewisses Vertrauen herstellen kann, das nötig ist, um Zugang zu Bloggern zu erhalten.

    Ein entscheidendes Kriterium ist zu Recht bereits genannt: Die Distanz von der eigenen Praxis als bloggender Blogforscher (mit ganz eigenen Erwartungen und Anforderungen), aber auch von Praktiken und Selbstverständnissen einzelner Sub-Communities, ist zwingend nötig, um zu ‚objektiven‘ Aussagen zu kommen. Dazu kommt, dass man die eigene Rolle im Feld mit reflektieren muss – wenn ich etwas über meine Erkenntnisse schreibe, verändere ich ja auch das Wissen der Blogger über ihre eigene Tätigkeiten, möglicherweise auch ihre Selbstbeschreibungen. Aber wenn ich das richtig sehe, ist das ein Phänomen, das letztlich alle Wissenschaften (mindestens die Sozialwissenschaften) betrifft, deren Erkenntnisse ja auch wieder in die Gesellschaft zurückfließen und dort Veränderungen auslösen können – allerdings zugestandermaßen nicht in dieser Geschwindigkeit und dem direkten Dialog, die im Falle von Weblogs zu beobachten ist.

  5. Das ist durchaus nachvollziehbar, verdeckt aber das tatsächliche Problem. Sind bloggende Wissenschaftler überhaupt noch in der Lage, ü-b-e-r Blogs zu forschen? Teilnehmende Beobachtung meint nämlich nicht einfach „teilnehmend“ sondern im Teilnehmen beobachten. Die Diskussion wurde in den letzten Wochen immer umgekehrt geführt, von daher kam auch der Druck. Beim Beobachten dieser Diskussion stelle ich eher fest, dass zuviele Zugeständnisse an die Blogszene gemacht werden. An eine Szene übrigens, die sich gerade mit kritischen Betrachtungen nicht immer leicht tut.

  6. Lieber Marcel Widmer; Nein, das ist ganz und gar ein Medienpraxis-Input. Die Darstellung ist offensichtlich etwas irreführend, stimmt. Quelle: Medienpraxis.ch.

  7. Die Blogspähre aus einer Metaebene zu betrachten, macht meiner Meinung durchaus Sinn. Zumindest so lange, wie sich die Wissenschaft auf die Beobachtung und die Schilderung dieser beschränkt.

    btw: Der Darstellung nach ist der Text ein Zitat. Woher? Gibt’s da eine Quelle mit (noch) mehr Info?