Autor: redaktion

Angekündigtes Jubiläum

Zugegeben, wir sind heute nicht mehr so aktiv wie 2004 und in den Folgejahren. Aber immerhin sind wir noch dabei: Anfang 2014 feiern wir 10 Jahre Blog Medienpraxis.ch. Auf diesen Meilenstein hin werden wir uns etwas einfallen lassen…

Hervorgegangen ist medienpraxis.ch aus dem Studium Social Informatics, das seit 2000 in der Ostschweiz angeboten wird. Entwickelt wurde das Masterstudium damals von Ueli Hagger und Reto Eugster.

Der Tweet als blosse Verweisungsinstanz

Begleitet vom Gestus der Aufgeregtheit verkommen Dialoge bei Twitter oft zum blossen Schlagabtausch. Anscheinend verblasst die sachliche Substanz von Beiträgen rasch, „soziale Manöver“ beherrschen das Spiel und über weite Strecken das Twitterland. Möglicherweise ist dieser Prozess durch den Anspruch forciert, welcher das 140-Zeichen-Format mit sich bringt: ein Tweet ist eine Verweisungsinstanz, immerhin das, aber nicht viel mehr. Das Problem ist meines Erachtens, dass Twitter gleichzeitig überschätzt und unterschätzt wird, was die kommunikativen Konsequenzen des Tools betrifft.

Die Soziologin Lehmann (@Maren_Lehmann), seit kurzem selbst twitternd, bringt es im Interview mit „Zu Daily“ auf den Punkt:

„Was mich an Twitter überzeugt, ist der Verzicht auf Komplementärrollen. Was mich gar nicht überzeugt, ist die Dominanz der Sozial- gegenüber der Sachdimension.“

In der letzten Woche diskutierten wir in verschiedenen Zusammenhängen, wie damit umzugehen sei, wenn sich eine Schlagabtausch-Schlaufe abzuzeichnen beginnt. Während die einen im „Durchhalten“ die Chance der zeitverzögerten Normalisierung sahen, zogen andere den konsequenten und frühzeitigen Ausstieg aus solchen „Endlosschleifen“ vor.  Persönlich steige ich aus, sobald eines der drei Kriterien erfüllt ist:

  1. Beleidigungen kommen ins Spiel (…).
  2. Dialogbereitschaft ist nicht erkennbar (Behauptung vs. Argumentation).
  3. Die „Sendeschleuder“ wird eingeschaltet (Tweet, Tweet, Tweet…).

Natürlich ist dies keine abschliessende Lösung, sondern ein Versuch, mit unbefriedigenden Aspekten der Twitterei umzugehen (Diskussion via Twitter erwünscht).

13 Jahre Social Informatics

Vor 13 Jahren haben Ueli Hagger und Reto Eugster, (@vorinstanz) das Projekt Social Informatics in der Ostschweiz gestartet. Entstanden ist ein anerkanntes Masterstudium auf Fachhochschulstufe. Neu in der Leitung ist seit bald drei Jahren die Medienwissenschaftlerin Selina Ingold (@insberlin).

Quartalsweise findet ein Inspirationtag Social Informatics an der FHS St.Gallen (@wbzfhs) statt. Gestern war es wieder soweit. Diskutiert wurden die drei Paradigmen, welche die Fachrichtung Social Informatics präg(t)en, bezogen auf den deutschsprachigen Raum.

Drei Paradigmen der Social Informatics

Social Informatics als Brancheninformatik des Sozialwesens, so die erste Variante, diese Fachrichtung zu fundieren. Nach wie vor sind die Diskurse der Social Informatics (bzw. der Sozialinformatik) durch diese Deutung dominiert.

Historisch verzögert wurde Social Informatics an den Begriff der Soziotechnik gebunden. Das Ineinanderwirken von technologischen und sozialen Entwicklungen geriet in den Brennpunkt des Interesses. Nun ging es zum Beispiel um technikinduzierte gesellschaftliche Ausschlussrisiken, um „digitale Armut“ sowie Fragen nach geschlechts-, bildungs-, generationen- oder kulturspezifischen Nutzungsroutinen.

Und schliesslich drittens, im Zuge des Social-Media-Booms, euphorisierte der Charme des vagen Begriffs: „Social“, das steht für vieles, das meint Community, Partizipation, Sharing, Authentizität usw. Social Informatics wurde zum Label für das Interesse an den „Segnungen“ des Web 2.0. Webbasierte Social Services verändern nicht nur den Begriff der Dienstleistung, sondern verbessern im günstigsten Fall gesellschaftliche Teilnahme- und Teilhabechancen. In Frage steht dabei auch die „klassischen“ Rollenkomplementarität Klientel/Professionals: „Klienten“, nun zu Community-Mitgliedern geworden, erleben eine Statusveränderung. Soviel zur dritten Option, Social Informatics zu fassen.

In unserem Masterstudium geht es darum, Social Informatics als den Fachzweig zu begreifen, der sich einerseits mit soziotechnischen Grundlagen, anderseits mit veränderten Dienstleistungsqualitäten in den Kontexten des Sozial-, Gesundheitswesens und Bildungswesens beschäftigt.

Masterstudium:
http://www.fhsg.ch/sozialinformatik

Facebook-Fachgruppe Social Informatics:
https://www.facebook.com/groups/socialinformatics/

Freundeskreis, nichts anderes

Social-Media-Foren, z.B. Facebook-Gruppen, die mehr als 218 Personen ;) umfassen, produzieren selbst dann Mob-Phänomene, wenn sie von einigen „intelligenten“ Menschen bevölkert werden. Die Chance, das Potenzial liegt in der Schaffung von kleinen Freundeskreisen, die bereit sind, sich an Standards des fairen Debattierens zu halten, ohne dass diese expliziert werden müssten.

Habe mich gerade aus einer Facebook-Gruppe verabschiedet, wie man vielleicht spürt: mit einigem Frust (obwohl ich nur sehr kurz dabei war).

Schöne neue Welt

Frust aus dem Bahnabteil

Wer hat schon versucht, in der Bahn zwischen Rorschach und St.Gallen so etwas Schlichtes wie eine „Telefonbuch“-App in Gang zu setzen? Selbstverständlich funktioniert das nicht (keine Netzverbindung). Feierabend-Traffic Hauptbahnhof Zürich: Selbstverständlich ist nun alles, schlicht alles was leitet, strahlt und verbindet, überlastet. Die guten Restaurant-Tipps, die mein Evernote kennen würde, sind jetzt gerade nicht abrufbar. (Die Situation verbessert sich ab 22 Uhr, nur dann werde ich schon gegessen haben.)

Dass ein Smartphone, nachdem es mit fettigen Händen „betatscht“ wurde, Touch-Sensitivität verliert: Selbstverständlich braucht es zuerst eine Reinigung bevor das Ding wieder zügig funktioniert. Selbstverständlich“, sagt mir der jugendliche Verkäufer im Shop für Mobiles, nach einer gewissen Zeit muss das Android vollständig herunter gefahren werden. Und, ja klar, das Ganze braucht anschliessend Zeit, um beim Neustart den Selbstinitialisierungsprozess korrekt durchzuführen. Logisch, so ein Betriebssystem wie das des ewigen Marktleaders braucht Updates. Diese werden automatisch installiert, doch dieser Prozess kann dauern. Logisch, dabei kann es auch Probleme geben, dann dauert es etwas länger als lang. Dass das offene WLAN „meiner Stadt“ nur an wenigen Stellen wirklich funktionieren kann, sieht doch jeder ein, der weiss, wie unendlich kompliziert es ist, eine solche Dienstleistung überhaupt zur Verfügung zu stellen. Na klar, so ein Smartphone kann, sobald es etwas älter als ganz neu ist, nicht mehr in der Lage sein, viel länger als zwei Stunden durchgängig zu „funken“. Und dass das WLAN im Postauto, na ja… Immerhin ist die Postauto AG so innovativ, sich um meine Netzverbindung zu kümmern (echtes Kompliment).

Bloggen, direkt aus Evernote heraus

Services zu verbinden, dass ist angesichts der Fülle von Optionen und Diensten das Gebot der Stunde. Postach.io verbindet Evernote mit Blog-Services. Gerade erst wurde die Software ausgezeichnet.

Mein Test hat gezeigt, dass dem definierten Anspruch entsprochen wird: Einfacher zu bloggen ist fast nicht möglich, vorausgesetzt, Evernote wird genutzt. Und dies ist bei 75 Millionen Usern der Fall (Firmenangabe).

Erster Schritt, man loggt sich mit den Evernote-Daten ein und eröffnet einen Postach.io-Account. Das ist umstandslos möglich. Anschliessend werden alle Evernote-Beiträge, denen ein ausgewähltes Stichwort beigegeben wird, beispielsweise „published“ automatisch veröffentlicht. Das Design des Blogs kann, falls dies gewünscht würde, individuell angepasst werden.

Ein kleines Beispiel, dass in 3 Minuten erstellt war: http://vorinstanz.postach.io/

Evernote im Projektalltag

Von Reto Eugster

In einem kleineren (aber wichtigen) Projekt arbeiten wir seit rund sechs Monaten pilotartig mit Evernote. Informationsschnipsel (ich zögere, von „Notizen“ zu sprechen) machen wir uns gegenseitig im Projektteam via Evernote verfügbar. Unsere Systematisierung ist einfach gebaut. Entlang von drei Tags (Stichwörtern) organisieren wir die Infoschnipsel: Pendenzen, Ideen, Ressourcen. Unter Pendenzen wird erfasst und ausgetauscht, was es im Team oder in Subgruppen zu besprechen/klären gibt. Drei Aufgabentypen werden dabei unterschieden. Das Schlüsselwort Ideen organisiert themengeleitet Fachinputs der Projektmitglieder, ermöglicht eine Art virtuelles Brainstorming. Literatur- und Tagungshinweise, Pressemeldungen usw. werden unter Ressourcen gruppiert, dazu nutzen wir Evernote Web Clipper.

Um es vorweg zu nehmen: Evernote hat sich bewährt und dies ist auch der Grund, weshalb ich mich vertieft damit befasst habe. Evernote kenne ich bereits seit Jahren.

Die übergeordneten Stärken des Tools sind rasch zu plausibilisieren: Evernote ist „überall“ verfügbar, auf Smartphones, Tablets, Windows-Rechnern und Apple-Maschinen. Die Handhabung des Tools ist benutzerfreundlich, es ist vielfältig einsetzbar und läuft stabil. Zudem ist Evernote weit verbreitet, ein Grossteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennt das Tool von der privaten Nutzung. Evernote ist kein „Social-Tool“. Das zu verstehen, ist wichtig. Damit ist klar, soziale Aktivitäten werden nicht ausgewertet und Netzwerkdaten nicht der Werbeindustrie verkauft. Die Akzeptanz gegenüber Evernote ist in meinem Arbeitsumfeld deshalb intakt.

Während der Pilotphase, der Arbeit am Projekt, sind mir folgende 14 Nutzungsaspekte von Evernote wichtig geworden.

  1. Mails lassen sich an die Evernote-Datenbank adressieren, so dass diese im Wissenspool des Projektes verfügbar (recherchierbar) sind. Die leistungsstarke Such-Funktionalität von Evernote ermöglicht es, Informationen aus wichtigen Mails gezielt verfügbar zu machen. (Betreffzeile: @Notizbuch #Stichwort !tomorrow. Mit !Datum lässt sich die Erinnerungsfunktion über die Mail-Betreffzeile ansprechen.)
  2. Tweets lassen sich ebenfalls an die Evernote-Datenbank adressieren (@myEN).
  3. Evernote „Notizbücher“ können den einzelnen Projektmitgliedern zugänglich gemacht werden (Leserechte / Schreibrechte). Auf diese Weise ist eine teamorientierte Arbeit möglich.
  4. Notizbücher, z.B. eine Sammlung mit Projektinformationen (Statusberichten usw.) lassen sich ohne Aufwand einfach veröffentlichen.
  5. Informationsschnipsel lassen sich teilen (Twitter, LinkedIn usw.), für uns wichtig: Sie können als Mail verschickt werden. Damit können beispielsweise Projektaufträge aus Evernote heraus delegiert oder Protokolle zugestellt werden.
  6. Werden Notizen beispielswesie bei Workshops fotografiert und in Evernote verschlagwortet (Direktimport), können diese mittels der Evernote-App Skitch mit Anmerkungen versehen und verarbeitet werden.
  7. In Evernote kann einfach nach unerledigten Aufgaben, quer durch alle Themen und Projekte hindurch, gesucht werden („todo:false“). Natürlich können auch alle erledigten  („todo:true“) oder überhaupt alle Aufgaben  („todo:*“) heraus gefiltert werden.
  8. Suchabfragen, die oft gebraucht werden, lassen sich speichern und sind als Favoriten umweglos zugänglich.
  9. Mit der Zeit zeigt sich bei Informations- und Wissenssystemen, dass einzelne Informationsschnipsel zusammen gehörten. Diese lassen sich bei Evernote nachträglich vereinen.
  10. Tags (Stichwörter), die in einem Notizbuch nicht verwendet werden, können ausgeblendet werden, was das Handlung wesentlich erleichtert.
  11. Suchen in PDF-Dateien: An die Informationsschnipsel lassen sich Dateien anhängen, zudem greift die Suchlogik auch auf PDF-Dateien zu (Premium).
  12. Nicht immer ist man in der Lage, auf dem Smartphone Text einzutippen. Deshalb gibt es die Möglichkeit, Sprachnotizen direkt einzubinden.
  13. Die lokale Datenbank lässt sich „manuell“ unter Windows optimieren, wobei dies offenbar nur in Ausnahmefällen nötig ist. Evernote optimiert grundsätzlich automatisch. Manuell: Kommandozeile (cmd): evernote.exe /debugmenu). Es erscheint ein zusätzlicher Menu-Punkt „debug“.
  14. Textstellen lassen sich auf einfache Art verschlüsseln. Dies ermöglicht eine weitere Selektivität im Umgang mit Informationen.

Vielleicht ist diese kurze Skizze für den einen oder anderen Anwendungsfall inspirierend. Wir haben anfänglich mit der Free-, später mit der Premium-Version von Evernote gearbeitet. Auch wenn die Free-Version auf den ersten Blick zu reichen scheint, hat sich der Umstieg auf Premium im anspruchsvollen Alltagstest doch als richtig erwiesen.

Geförderte Studien offen zugänglich?

Die Diskussion, ob wissenschaftliche Studien, die durch Steuermittel gefördert wurden, grundsätzlich „offen“ ins Internet gehören, läuft seit einigen Jahren. Heute widmet sich der deutsche Bundestag unter anderem diesem Thema. Wissenschaftler sollen neu die Möglichkeit haben, geförderte Studien einfacher öffentlich zugänglich zu machen, auch dann, wenn Nutzungsrechte berührt sind. Gesetzentwurf, Unterlage des Bundestages (PDF)