Medienpraxis.ch

Gutfeldt-Kritik: Versuch einer Antwort

Matthias Gutfeldt kritisiert in seinem Blog zu Blog.ch die Blog-Codex-Initiative, die einige Weblogs gemeinsam gestartet haben (eDemokratie, KBlog, Medienpraxis.ch). Gerne greifen wir von der Medienpraxis einige seiner Anregungen auf:

Matthias: „Ich fand es etwas merkwürdig, wie uninformiert (man kann es auch unvoreingenommen nennen, kommt aufs gleiche raus) an die Sache herangegangen wurde.“ Persönlich habe ich nicht das Gefühl, es fehle mir an zentralen Vorkenntnissen. Aber es gibt natürlich keinen Grund, der Selbsteinschätzung grundsätzlich zu trauen. Die Google-Syntax, welche Matthias zu nutzen vorschlägt, habe ich allerdings vorgängig selbständig zustande gebracht. An diesem Punkt wird Matthias‘ Kritik für mich zur blossen Polemik.

Matthias: „Es ist nett, zu so einer Diskussion persönlich eingeladen und mit extra special Logindaten versehen zu werden, die mir mehr Rechte geben als dem Normalblogger.“ Die Idee war, einen Kreis von Bloggern zu finden, der sich an der Diskussion beteiligt und regelmässig den Stand der Diskussion in ihren Blogs spiegelt. In diesem Sinne sollte eine Moderationsfunktion geschaffen werden. Wer will, kann sich unter der Rubrik „Moderation“ eintragen und erhält die Zugangsdaten zugeschickt. (Niemand, der sich eingetragen hat, hat die Daten nicht erhalten.) An der Diskussion konnte und kann sich jeder und jede beteiligen. Möglicherweise ist diese Vorgehensidee aber tatsächlich nicht geegnet, einen solchen Prozess zu initiieren. Vielleicht wäre die Form eines offenen Forums besser geegnet gewesen. In diesem Sinne spricht Matthias einen heiklen Punkt an.

Matthias: „Aber in den beteiligten Blogs wurde so darüber geschrieben, als sei das eine brandneue Sache…“ Wenn aufgrund unserer Texte (ich spreche für die Medienpraxis) dieser Eindruck entstanden ist, dann haben wir dies tatsächlich falsch kommuniziert.

Matthias:
„Was es wirklich braucht – wenn überhaupt, diese Frage ist völlig offen- sind einfache, handfeste Leitplanken für das persönliche Bloggen. Letztendlich nichts weiter als der ganz normale gesunde Menschenverstand – und Anstand.“ Dem kann ich nur zustimmen. Und um diese „handfesten Leitplanken“ wollten und wollen wir uns Gedanken machen. Mich würden hier die konkreten Vorstellungen von Matthias Gutfeldt zu diesen Leitplanken interessieren. Es wäre weiterhin unterstützend, seine Einschätzung zu erfahren.

Matthias: „Also, Leute: Blogs sind ein verteiltes Medium, in dem jeder und jede dieselben Rechte hat.“ Auch in Matthias‘ Blogs gibt es präzis zwei Klassen: Diejenigen, die publizieren dürfen (vermutlich er selbst) und diejenigen, die kommentieren/diskutieren können. Genau wie in unserem Wiki. Soviel Polemik muss sein! Ich verstehe aber den Gedanken hinter dem Argument und würde heute eindeutig anders vorgehen. Vermutlich wäre, wie bereits festgestellt, ein Forum besser geegnet gewesen, und eine Moderatorenrolle zu schaffen, war möglicherweise keine dem Vorhaben zudienende Idee.

Matthias: „Katechismus, nein danke.“ Genau.

Matthias: „Und man möge mir Zynismus vorwerfen, aber solche Diskussionen dienen erfahrungsgemäss vor allem dem Status und dem Technorati Linkrank.“ Also bitte, Matthias Gutfeldt, weshalb diese Entwertung? Glaubst du, wir würden uns um diese wenigen Technorati-Treffer mit solchem Aufwand kümmern? Einen ersten Schritt, dass uns dies eh nicht gelingen kann, hast du bereits unternommen, indem du den Link zur Medienpraxis nicht setzt.

Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass Matthis wunde Punkte trifft und wichtige Argumente einbringt, teilweise stimme ich – wie ausgeführt – mit seinen Einschätzungen überein. Ich hätte es begrüsst, die Kritik direkt „am Ort des Geschehens“ zu lesen und Konkreteres über die „handfesten Leitplanken für das persönliche Bloggen“ (Matthias) zu erfahren. Mir zeigen gerade auch die Argumente von jemandem wie Matthias Gutfeldt, der die Blogszene gut kennt, dass es unverzichtbar ist, diese Diskussionen zu führen. Und die Begleitpolemik sorgt für die nötige Aufregung…

PS: Und im Weiteren werden wir an der uns selbst gegebenen Regel festhalten, dass wir auf Blogs aktiv verweisen, wenn sie im Text genannt sind.

Update, Reaktionen::
1) Unbehagen gegenüber Blog-Codex, eDemokratie
2) Tellergeklapper aus dem Hintergrund und Kritik an den Spielregeln. Ein Blog-Katechismus?, Bürger-Herold
3) Linkneid, Top 100 und Realitätsverlust, Leu
4) Ethische Regeln für Blogger, Gebsn

9 Kommentare

  1. @ Brigitta

    „[…] Was die Schweizerische Blogszene in den verschiedenen Blogs vorgeführt hat zum Thema einander Fertigmachen, zeigt den Stand dieses Männerclubs […]“

    Das sehe ich nicht so. Mir geht es um die Sichtbarmachung, wie plötzlich aus dem Hintergrund Stimmen erscheinen, die permanent sagen, „wollen wir nicht“, „geht nicht“, „überflüssig“. Die gesamte Diskussionsreihe ist für mich weder Männerclub, Fertigmachen, sondern ein Versuch, das Thema aufzugreifen. Macht man es so, ist es falsch, macht man es anders, ist es auch falsch, schweigt man, ist es ebenfalls falsch. Schau Dir die Diskussionen in der deutschen Politszene an. Ach ja, schweigt man, ist es auch falsch.

    Ob Codex oder wie immer man das nennen mag, es ist leider kein Garant für die Ehrenwertigkeit der Publikationen.

  2. Ich bin nur hie und da in Weblogs unterwegs. Was die Schweizerische Blogszene in den verschiedenen Blogs vorgeführt hat zum Thema einander Fertigmachen, zeigt den Stand dieses Männerclubs. Danke für das Offenlegen des tatsächlichen Niveaus. Deshalb bin ich froh, wieder Publikationsorgane zu nutzen, denen tatsächlich ein Kodex (ein journalistischer) zu Grunde liegt. Nennt ihr das diskutieren und glaubt ihr, damit Leute zum Diskutieren zu bringen? Ist das offen debattieren?

  3. It’s Motz-Time

    Hauptsache ist, es wird gemotzt. Oder die Unerträglichkeit, über ein Thema zu diskutieren.
    usw.

  4. ich finde diese top100 liste auch schlecht. sie trägt zu einem gehässigen klima unter den bloggern bei. der ganze technorati-schrott bewirkt letztlich nur, dass weblinks wie gold gehandelt werden, statt dass man sie dort einfach einsetzt, wo sie sinn machen und naheliegend sind. gerade die verlinkung ist aber das, was das www ausmacht.

  5. ster

    6.8.2005 um 22:02

    @Pitt

    Die Liste wurde zwar kritisiert, aber meines Wissens nicht von Matthias.

    Einmal mehr erstaunt es mich, mit welcher Vehemenz die Diskussion um diese Thematik geführt wird, nicht speziell hier, sondern insgesamt.

    Es muss doch möglich sein, in einem auf Diskursivität angelegten „Raum“ Kritik zu äussern. Dies hat Matthias getan und dies ist der Sinn einer (jeder) Debatte. Es gibt genügend Möglichkeiten, in Kommentaren, Artikeln usw. sachlich (oder auch etwas polemisch-spielerisch…) darauf zu reagieren.

  6. Pitt, es ist ganz einfach: Die Technorati-Rangliste ist weder gut noch böse, sie ist einfach. Die Liste sagt auch nichts über die Qualität, Wichtigkeit oder sonstige Werturteile aus; sie zählt lediglich.

    Was dann der Einzelne daraus macht, ob er sie z.B. als „Ausdruck eines Hierarchiedenkens“ ansieht oder als Anregung, um ihm bisher unbekannte Blogs zu entdecken, ist ihm überlassen und hat mit der Liste an sich nichts zu tun.

    Kritisiert hab ich die Rangliste eigentlich nirgendwo in meinem Blog. Oder doch?

  7. Pitt

    6.8.2005 um 18:02

    Wie ist das nun mit dieser TOP-Liste? Sie wird bei Blog.CH im neuen Sortiment angeboten und gleichzeitig vom Anbieter kritisiet? Oder bin ich in den falschen Film geraten? Ja, wir brauchen diese Liste nicht und deshalb ist es ganz einfach. Blog.CH nimmt sie aus dem Sortiment und alles ist erledigt.

  8. [Linkneid, Top100 und Realitätsverlust? Irgendwie hat die am 1.August lancierte Top100 Liste keinen guten Effekt auf die Blogwelt. Nachde]

  9. Codex-Diskussion verursacht Tellergeklapper

    Tellergeklapper aus dem Hintergrund und Kritik an den Spielregeln. Ein Blog-Katechismus?

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